20.08.2024
Umsetzungshindernisse für Forstbetriebe und Forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse (FWZ) bei der Anwendung der EU-Verordnung über Entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) zum 30. Dezember
Umsetzungshindernisse für Forstbetriebe und Forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse (FWZ) bei der Anwendung der EU-Verordnung über Entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) zum 30. Dezember 2024
Länderbenchmarking
Die EU-Kommission hat bisher kein Benchmarking-System (Artikel 29 EUDR) vorlegen können, dass das Entwaldungsrisiko von Ländern oder Landesteilen (hoch, mittel, niedrig) bewertet. Derzeit arbeitet ein US-amerikanisches Consultingunternehmen an der Methodik des Bewertungsverfahrens für das Länderbenchmarking. Angaben, wann das System tatsächlich einsatzbereit ist, wurden von Seiten der EU-Kommission bisher nicht gemacht. Damit ergeben sich erhebliche Rechtsunsicherheiten für die Betriebe und Unternehmen in Deutschland. Szenarien, die eine Umsetzung der Maßnahmen der Risikobewertung und Risikominderung (Artikel 10 & 11 EUDR) berücksichtigen, sind bisher nicht definiert worden. Diese Maßnahmen müssten jedoch im Falle fehlender Ergebnisse des Länderbenchmarkings vor Anwendungsbeginn von deutschen Waldeigentümerinnen und Waldeigentümern zusätzlich zu den bestehenden Sorgfaltspflichten geleistet werden.
FAQ-Dokument und Leitfaden zur EUDR
Derzeit befindet sich das Dokument der Frequently Asked Questions (FAQs) zur EUDR, welches etwaige Fragen zur Anwendung der Verordnung beantworten und die harmonisierte Anwendung der Verordnung in den Mitgliedstaaten unterstützen soll, im dritten Überarbeitungsdurchgang durch die EU-Kommission. Eine Veröffentlichung dieser dritten Version der FAQs sollte bereits im Mai 2024 erfolgen, ist aktuell jedoch noch ausstehend. Damit bleiben die bestehenden offenen Fragen zur Anwendung für Forstbetriebe und Forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse weiter unbeantwortet. Dies betrifft beispielsweise die Geolokalisation der Grundstücke und die Frage der möglichen Arrondierungen aller Betriebsflächen.
Der offizielle Leitfaden zur Unterstützung der zuständigen Behörden und Anwender bei der Umsetzung der EUDR durchläuft derzeit eine interne Überarbeitung und soll „so bald wie möglich“ (Rückmeldung der Generaldirektion Umwelt beim Treffen der Multi-Stakeholder-Plattform zur EUDR am 20. Juni 2024) veröffentlicht werden. Dieser Leitfaden zur Verordnung, der einen rechtlich bindenden Charakter hätte, wurde bereits im März 2024 angekündigt. Eine Veröffentlichung ist bisher nicht erfolgt, obwohl dies schon mehrfach von der EU-Kommission in Aussicht gestellt wurde. Eine rechtssichere Planung der Umsetzung für Forstbetriebe und Forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse ist somit nicht gegeben.
EU-Informationssystem
Ende Mai 2024 hat die EU-Kommission erstmals technische Spezifikationen der Schnittstelle für das EU-Informationssystem vorgelegt, die von der AGDW unmittelbar an führende Anbieter forstlicher Datenmanagementsysteme weitergleitet worden sind und anschließend diskutiert wurden. Für die Anbieter ergeben sich viele technische Fragen zum EU-IT-System. Aktuell ist die Kommunikation der Systeme (EU-IT-System und Datenmanagementsysteme der Anwender) über die Schnittstelle nicht uneingeschränkt möglich. Die Rückmeldezeit zwischen EU-IT-System und Datenmanagementsystem beträgt derzeit ca. 15 Minuten bei einfacher Datenübertragung, so die 2 Rückmeldungen einzelner Anbieter. Das EU-IT-System fällt zu Teilen immer wieder aus. Ein „DryRun-Verfahren“ und Stresstest unter Realbedingungen ist derzeit nicht möglich. Es ist absehbar, dass auch die Zeit für die Anpassung der EDV-Systeme nicht ausreicht. Einige forstliche IT-Unternehmen haben das Thema EUDR vorerst aus der Projektplanung genommen, da die vorliegenden Spezifikationen noch nicht ausreichend sind. Eine Freischaltung des EU-Systems ist laut Zeitplan der EU-Kommission ab dem 02. Dezember 2024 vorgesehen. Somit ist eine Übertragung und Eingabe von Sorgfaltserklärungen im EU-IT-System erst wenige Tage vor Anwendungsbeginn der EUDR (30. Dezember 2024) möglich. Ein Rollout der IT-Lösungen für Forstbetriebe und FWZ mit entsprechender Beratung ist vor dem 30. Dezember 2024 unrealistisch und nicht umsetzbar. Die EU-Kommission sieht ab Oktober 2024 ein Trainings-Programm für das EU-IT-System vor. Vertreter der Mitgliedstaaten sollen als „Trainer“ geschult werden, um so auf nationaler Ebene die Funktionen des IT-Systems erläutern und die Informationen weiterleiten zu können. Die Trainingssessions sollen ca. einen halben Tag dauern. Bisher ist nicht bekannt, welche Personen auf nationaler Ebene für die Trainingsprogramme vorgesehen sind. Es sollen des Weiteren „End-User-Trainings“ erfolgen mit der Möglichkeit der Online-Partizipation. Ob und wie Haupt- bzw. Ehrenamt von Forstwirtschaftlichen Zusammenschlüssen, die als Multiplikatoren für ihre Mitglieder fungieren, bei diesen angedachten Trainings berücksichtigt werden, ist unklar.
Ab Juli/August 2024 soll(t)en spezifische Videos zum IT-System veröffentlicht werden. Für September ist die Veröffentlichung von Anleitungen zum System geplant. Auch hier wird deutlich, dass in Anbetracht des knappen Zeitplans eine flächendeckende Weitergabe konkreter und rechtssicherer Informationen unrealistisch ist.
Der Großteil der Kleinprivatwaldbesitzenden verfügt über keines der gängigen EDV-Systeme im Forstbereich. Dies betrifft insbesondere die Waldbesitzenden, die nicht über einen Forstwirtschaftlichen Zusammenschluss organsiert sind. Hier ist ein besonders hoher Beratungs- und Informationsbedarf gegeben, der weder bis zum vorgesehenen Anwendungsdatum (30. Dezember 2024) noch in absehbarer Zeit erfüllt werden kann.
Erstellung von Sorgfaltserklärungen und Erhebung von Geodaten
Forstwirtschaftlichen Zusammenschlüssen droht ein erheblicher Erfüllungsaufwand im Zuge der Anwendung der EUDR. Dies ist insbesondere der Fall, wenn entsprechende Bevollmächtigungen der Mitglieder (Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer) eingeholt werden müssen und FWZ nicht als Marktteilnehmer auftreten. Allein der Ersterhebungsaufwand einer durchschnittlichen Forstbetriebsgemeinschaft mit bspw. rd. 2.400 Mitgliedern (inkl. Erfassung der Geodaten der Mitglieder) beträgt rund 100.000 Euro. Die Kosten für die Anpassung des EDV-Systems sind hierbei noch nicht erfasst. Bei ca. 1.600 Holzverkaufsabrechnungen pro Jahr fallen weitere 28.000 Euro für die Erstellung der Sorgfaltserklärungen an.
Die aufgelisteten Sachverhalte zeigen, dass es weiterhin erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich
der nationalen Umsetzung der EUDR für die Forstwirtschaft gibt. In Anbetracht der Fragwürdigkeit
des Verfahrens und der fehlenden Voraussetzungen für eine zeitnahe Implementierung ist es daher dringend erforderlich, die bestehende Umsetzungsfrist um mindestens zwei Jahre zu verlängern und die Verordnung zielorientiert zu überarbeiten